Kenia: Inselzauber Lamu – Tropik-Feeling mit Träumen aus 1001 Nacht | by Antje Waldschmidt

Hallo,

in meinem letzten Beitrag habe ich euch vom Giraffe Centre in Nairobi erzählt. Doch Kenia ist ein unglaublich vielseitiges Land, mit einer Mischung verschiedener Kulturen und einer ereignisreichen Geschichte. Als besonders geheimnisvoll und faszinierend habe ich die Suaheli-Küste des Landes empfunden, von der ich euch in diesem Beitrag erzählen möchte. Auf geht´s zur Tropen-Insel Lamu!

Ich erreiche den kleinen sandigen Flughafen der Insel Manda am Morgen, nach einem zweistündigen Flug von Nairobi. Sogleich empfängt mich eine wohlige Wärme und Sonnenstrahlen. Während das im Hochland gelegene Nairobi im Juli eher kühl ist, ist das tropische Lamu ganzjährig warm – auch wenn es zur Regenzeit schon mal ordentlich schütten kann! Etwas verschlafen blinzle ich in die Sonne und folge den anderen Passagieren, die schnurstracks aus dem Flughafen hinaus den langen Steg entlang laufen. Sie haben nur ein Ziel vor Augen: Die Insel Lamu!

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Lamu ist eine ostafrikanische Insel im Indischen Ozean, die zu einer kenianischen Inselgruppe, bestehend aus Lamu, Pate, Manda und einigen kleineren Inseln, gehört. Das Archipel trägt wiederum den selben Namen wie die Hauptinsel Lamu. Doch Lamu ist nicht nur eine entzückende Tropeninsel, sondern auch eine rund 13km lange und 6km breite Kulturstätte, geprägt durch die einzigartige Suaheli-Kultur. Diese ist eine fulminante Mischung aus afrikanischen, indischen, persischen, europäischen und arabischen Einflüssen, die neben einer einzigartigen Sprache und Küche auch ein ganz besonderes Design und Architektur hervorgebracht haben.

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Kein Wunder also, dass Lamu Town, die Hauptstadt der Insel mit ihrem historisch einzigartigen Stadtkern 2001 als Unesco-Weltkulturerbe gelistet wurde. Der Lamu-Archipel selbst blickt auf eine jahrtausendealte, bewegte Geschichte zurück, die von Perioden kultureller Blüte mit florierendem Handel und blutigen Kriegen erzählt. Im 14. Jahrhundert siedelten sich zuerst Araber, im 16. Jahrhundert schließlich Portugiesen und Perser an den Handelshäfen der Inselgruppe an, um auf ihren traditionellen Booten der Suaheli-Küste, den Dhaus, Sklaven, Elfenbein und andere Güter nach Arabien, Indien und China zu schiffen. Im Gegenzug erhielten sie Orientwaren wie Gewürze und Teppiche. Von diesem florierenden Handel ist heute jedoch kaum noch etwas zu spüren. Es wird gemunkelt, dass die großen Tage des Lamu-Archipel gezählt waren nachdem die kenianische Küstenstadt Mombasa durch den Bau der Eisenbahn und des Tiefseehafens für große Schiffe die Vorrangstellung als Tor nach Ostafrika erlangt hatte. Geblieben ist Lamu aus seinen Glanzzeiten einzig der Koran. So ist Lamu der Ursprungsort der arabisch-islamisch geprägten Suaheli-Kultur, die sich über die gesamte Küste Ostafrikas ausgebreitet hat. Kein Wunder also, dass sich die Insel Lamu ein bisschen wie ein Märchen aus Tausendundeine Nacht auf afrikanischem Boden anfühlt.

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Ich steige in eines der vielen Boote, die um die Gunst der Gäste buhlen. Charles, ein schmaler hochgewachsener Herr, bereits leicht ergraut und mit wenigen Zähnen, hilft mir in die Dhau zu geleiten. Dort lasse ich mich auf der maroden Holzbank nieder und genieße die kühle Brise. Es braucht nicht lange, bis ich am Horizont die einzigartige Silhouette der Altstadt von Lamu entdecke. So sind es nur wenige Kilometer, die Manda Island von der gegenüberliegenden Insel Lamu trennen. Kaum, dass ich Lamu erreiche, fühle ich mich ein bisschen wie in eine andere Zeit versetzt. Charles möchte mir noch ein kleines Inselprogramm aufschwatzen und auch ein paar andere versuchen ihr Glück, doch ich ziehe weiter. Schnell fällt mir auf, dass auf Lamu alles sehr entspannt und langsam vor sich geht. „Pole pole“, das im Suaheli für „langsam“ steht, ist Lebensgefühl auf dem Archipel.

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Die Altstadt von Lamu zieht mich sofort in ihren Bann! Kleine Jungen und Mädchen laufen lachend durch die Straßen, Frauen flanieren schwarz verschleiert in Buibuis die Hafenpromenade entlang, Männer sitzen in ihren weißen bodenlangen Gewändern mit ihrer traditionellen Kofia auf dem Kopf auf den Steinbänken vor ihren Häusern und schwatzen – und überall stehen, laufen oder liegen Esel. Graue Langohren, wo mein Auge nur hinschaut! Die Esel sind überall!! So fahren auf Lamu keine Autos. Das ist verboten, da die Straßen der Insel zu eng und verwinkelt sind. Infolgedessen benutzen die Einheimischen Esel, Motorräder oder ihre Füße, um die Gassen und Fußwege der Insel zu navigieren. Das erklärt, warum auf Lamu über 6000 Grautiere leben. Gleichzeitig tragen die Esel dazu bei, eine der wichtigsten Waren der Insel zu transportieren: Korallenstein. Denn neben den Eseln beherrscht Koralle die Insel! Das liegt daran, dass Korallengestein nicht nur stark, sondern auch stets ein paar Grad kühler als Zement ist, was ihn zu einem idealen Baustoff in einer Region macht, in der größtenteils Hitze herrscht.

Ich laufe und laufe – und verlaufe mich dabei des Öfteren im Labyrinth von Lamus kleinen Straßen und Gässchen. Doch es ist ein Verlaufen, das nicht weiter stört. Ich habe das Gefühl mich in einer so geheimnisvoll und faszinierenden mittelalterlichen Steinstadt zu befinden, in einer kleinen anderen Welt, wo jeder Winkel, jede Gasse ein neues kleines Geheimnis zu offenbaren scheint. Wieso sollte es mich also stören den alten Marktplatz zum dritten Mal zu überqueren? Beim dritten Mal entdecke ich schließlich auch die im Jahr 1998 wieder eröffnete Markthalle und staune nicht schlecht, als ich auf dem Danksagungs-Schild an erster Stelle den Namen des deutschen Botschafters lese.

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Kurz darauf ziehe ich an weiß-getünchten Häusern mit bröckelnder Fassade, alten Festungen und geschnitzten, schweren Holztüren mit Verzierungen vorbei, von denen eine eindrucksvoller als die nächste ist. Lamus enge Straßen, alte Steinhäuser und einprägsamen Suaheli-Türen sind über die Jahrhunderte unverändert geblieben, und auf den Märkten und Plätzen bewegt sich das Leben im gleichen Tempo wie immer. Wie immer? Gewiss nicht für die Bewohner, doch für einen Insel-Besucher, wie ich es bin, scheint auf Lamu die Zeit stehen geblieben. Südwestlich des Marktes stoße ich auf eine der vielen Moscheen der islamisch geprägten Insel. Es ist die Riyadha-Moschee, Lamus wohl berühmtestes Gotteshaus, dessen grüne Kuppel ich schon von Weitem erspäht hatte. Die Sonne hat sich etwas zurückgezogen und es findet ein reges Treiben vor dem großen Platz vor der Moschee statt. Jungen spielen Fußball, Männer laufen geschäftig an der Moschee vorbei und Gruppen von kleinen Mädchen turnen neugierig um mich herum und kichern.

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Doch so schön die Altstadt von Lamu auch ist, ich muss weiter. Es zieht mich rund 3km weiter an das Ostende der Insel, wo das hübsche Dorf Shela liegt, dessen weißes Minarett bereits aus der Ferne in den Himmel ragt. Shela ist ein kleines süßes Nest der Verschlafenheit, das einen traumhaft schönen Sandstrand bietet, der sich von hohen Dünen gesäumt fast schattenlos 12km bis nach Kipungani zieht. Wenn die Altstadt von Lamu bereits Langsamkeit und ein entspanntes Leben vermittelt, dann ist Shela die Inkarnation der Ruhe und Gemächlichkeit selbst. Auch hier ziehe ich durch die schmalen Gassen und treffe auf Schulkinder in muslimischen Gewändern, jammernde Katzen, schwatzende ältere Herren und unzählige Esel. Ab und an gerate ich in einen Esel-Stau. Doch davon abgesehen, gibt es sowieso kaum ein Vorankommen für mich, weil ich bei jedem Eselkind voller Entzückung stehen bleibe – es tätscheln und knuddeln muss – und kaum wieder von ihm ablassen kann. Währenddessen ziehen verschiedene Eselhorden, die von ihren Eseltreibern durch die Straßen getrieben werden, schwer bepackt mit Gestein an mir vorbei. Da wundert es nicht, dass es auf Lamu eigens eine Klinik, das „Donkey Sanctuary“, für die Grautiere gibt, in der diese kostenlos behandelt werden können. Denn auch wenn die Esel der Schlüssel zum Lebensunterhalt der Inselbewohner sind, schätzt nicht jedermann die Tiere so, wie sie es verdient hätten!

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Auf Lamu bedarf es keines großen Unterhaltungsprogramms. Es ist ein Ort zum Genießen und Innehalten. Ein Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der mittelalterlichen Steinstadt oder eine kleine Fahrt mit der traditionellen Dhau auf dem Inselmeer bringen einem den Zauber der Insel schnell näher. Dann heißt es sich dem langsamen Rhythmus der geheimnisvollen Insel und der Entspannung vollends hinzugeben. Voller neuer Eindrücke und gesättigt mit einprägsamen Bildern ziehe ich mich bereits am Nachmittag in Shela in mein wundervolles Suaheli-Haus zurück, von dem ich den Dorfkern und das Meer überblicken kann.

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Wie alle Häuser der Insel ist auch meine Unterkunft in typischer Suaheli-Architektur gebaut. Dennoch sind „The Moon Houses“ noch aus einem anderen Grund etwas ganz besonderes. Sie sind das Erbe der berühmten „fliegenden Ärztin“ Anne Spoerry, die unter der Flagge von AMREF in Kenia Großartiges geleistet hat. Die Französin reiste 1948 nach Afrika und entschied sich zu bleiben. In ihren Vierzigern lernte Spoerry ein kleines Flugzeug zu steuern, das ihr ermöglichte entfernte Inselpopulationen zu erreichen und in einem größeren ländlichen Gebiet Medizin zu praktizieren. 1963 wurde Spoerry das erste weibliche Mitglied der AMREF „Flying Doctors“, eine afrikanische NGO, die einen flächendeckenden Basisgesundheitsdienst in Ostafrika mit einheimischen Fachkräften ermöglicht.

Mit diesem Wissen betrete ich die Anlage der Mondhäuser durch eine schwere Holztür, laufe durch einen malerischen Innenhof und schwebe gefühlt die Treppe empor. Wie Lamu selbst, versprüht auch dieser perfekt in die Inselarchitektur integrierte Ort eine ganz eigene Magie. Schließlich erreiche ich auf der obersten Etage der Mondhäuser eine weitere, braun verzierte, kunstvoll geschnitzte Holztür, die zu meinem hübschen Suaheli-Apartment mit hohem Türmchen führt.

Dies ist mein ganz eigenes Mondhaus für die kommenden Tage und heißt „Mama Daktari“. Benannt wurde es nach der verstorbenen Anne Spoerry, die hier in den späten 1960er Jahren wohnte, als sie sich auf ihre medizinischen Expeditionen vorbereitet hatte. Ehrfürchtig betrete ich das Innere meines Turmhauses, wo ich wunderschön geschnitzte Suaheli-Möbel vorfinde. Unter dem Turm steht ein großes Bett, durch dessen hohe Fenster die Sonnenstrahlen hindurch blitzen. In Suaheli-Gebäuden fließen die Innen- und Außenbereiche geschickt ineinander, und die Meeresbrise weht stets durch sie hindurch. Das fühlt sich an der heißen Küste mehr als angenehm an. Für die Konstruktion und Dekoration werden nur natürliche und lokale Materialien, allen voran Korallenstein und Mangrovenholz, verwendet und feine Details genau an den richtigen Stellen integriert. Dadurch präsentiert sich der Suaheli-Stil unaufgeregt schön – oder auch wunderschön einfach!

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Ich öffne die braunen schweren Fensterklappen und blicke durch mein Suaheli-Turmfenster hinunter auf den grünen Garten der Anlage sowie auf das Meer, das ich am Horizont erspähe. Eine Meeresbrise lässt meine Haare im Wind wehen und in der Sonne leuchten. Ein wenig fühle ich mich wie Rapunzel aus dem Märchen der Gebrüder Grimm. Gerade versuche ich mir das Rapunzel-Märchen bildlich zurück ins Gedächtnis zu rufen als der Muezzin zum Gebet aufruft.

Der geheimnisvolle Gesang des Muezzin schallt über die Dächer der Insel hinweg. Von meinem Turm beobachte ich wie Frauen, Männer und Kinder sich in ihren langen Gewändern durch die schmalen Gassen der Steinstadt auf den Weg zum Gebet machen. Nun habe ich das Bild klar vor Augen: Hier und heute in meinem kleinen Suaheli-Schloss mit Blick auf die magische Insel fühle ich mich wirklich wie Rapunzel – aber nicht das Rapunzel, wie wir es von den Gebrüdern Grimm kennen, sondern das Rapunzel aus Tausendundeine Nacht! (:

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Der Suaheli-Chic steht bestens für den Zauber der Insel, der Lamu ausmacht: Eine entspannte tropische, ostafrikanische Insel mit einem einzigartigen Charme gemischter Kulturen und einer jahrtausendealten Geschichte. Ein Ort wie kein anderer! Tropik-Feeling mit bittersüßen Träumen aus Tausendundeine Nacht eben!

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